„Zur Lage des Systems: Acht Thesen über Krise“
Programmatischer Ausgangspunkt für die Positionierung der ver.di Jugend in der Weltwirtschaftskrise ist das Manifest „Acht Thesen über Krise“. Theoretisch und philosophisch gut fundiert, formuliert das Dokument in plakativer Verdichtung, einfachster Sprache und mutiger Typografie, was viele fühlen, ahnen oder wissen: Dass die Zeit reif ist für die nächste Gesellschaft.
Die Thesen im Wortlaut:
„Zur Lage des Systems: Acht Thesen über Krise
‚Die Chinesen schreiben das Wort ‘Krise’ mit zwei Schriftzeichen.
Das eine bedeutet ‚Gefahrʼ, das andere ‚günstige Gelegenheitʼ.’
Saul D. Alinsky: Anleitung zum Mächtigsein
1. Die Krise ist eine Systemkrise.
Namen hat sie viele: Subprime-Krise, Finanzkrise, Wirtschaftskrise,
Weltwirtschaftskrise. Und keiner stellt in Frage, dass die Lage ernst ist.
Aber niemand präsentiert eine Lösung. Weil sich niemand traut, die Krise zu Ende
zu denken. Und die Ahnung laut auszusprechen: Dass ein System am Ende ist.
Ein System namens Kapitalismus.
2. Jede Gesellschaftsform hat ihre Zeit.
Der Kapitalismus war ein großer historischer Fortschritt. Er hat uns eine neue Zeit
gebracht, mit der Idee von Freiheit und einem besseren Leben.
Doch das ist hundertfünfzig Jahre her. Damals machten der Privatbesitz an den
Produktionsmitteln und die Lohnarbeit Sinn: Weil es offenere Konzepte waren als
das Prinzip von Grundbesitz und Leibeigenschaft.
Weil sie Entwicklungsmöglichkeiten schufen.
3. Der Kapitalismus funktioniert nicht mehr.
Ein Wirtschaftssystem muss sich daran messen lassen, wie gut es funktioniert. Wie
es gesellschaftliche Ressourcen zu nutzen und die Entfaltung der Menschen zu
fördern versteht. Wie daraus Fortschritt für alle entsteht.
Doch was kann der Kapitalismus heute? Es ist eine Schande, wie er mit unseren
Ressourcen umgeht: Die Natur wird rücksichtslos ausgebeutet. Echte Bildung findet
kaum mehr statt. Menschliche, kreative Arbeitskraft liegt massenhaft brach. Unsere
Intelligenz wird nicht genutzt. Gute Ideen verkümmern.
Der Markt hat ausverkauft.
4. Er war von Anfang an nicht gut durchdacht.
Zu gewaltig ist der innere Widerspruch des Kapitalismus: Zwischen der
gesellschaftlichen Organisation der Arbeit und der privaten Aneignung ihrer
Ergebnisse.
Zu flach das Streben nach Profit als Triebkraft der menschlichen Entwicklung.
Absurd die Konkurrenz zwischen den Menschen. Zwischen den Klassen. Zwischen
den Staaten. Zwischen Nord und Süd. Zwischen Asien, Europa und Amerika.
All das wird immer abstruser.
5. Wer Schuldige sucht, ist auf dem Holzweg.
Schon vor hundert Jahren kostete der erste Weltkrieg Millionen Menschen das
Leben und vernichtete immensen gesellschaftlichen Reichtum. Weil „der Franzosʼ“
schuld war an der miserablen Lage.
Dann waren „die Kommunisten“ schuld. Dann mussten „die Juden“ dran glauben.
Heute sind „die Ausländer“ schuld, die „Heuschrecken“… Oder Amerika. Es sind
immer dieselben einfachen Feindbilder: So geht Volksverdummung. So funktioniert
Ablenkung, Propaganda, Ideologie. Und Faschismus.
Der Fehler liegt im System.
6. Die Rettungsversuche der Politik sind hilflose Angstreaktionen.
Die Maßnahmen der Politik sind hilf- und hoffnungslos. Dahinter steht keine neue,
vorwärtsweisende Idee. Es sind alte Konzepte für ein altes System.
Die Milliarden, mit denen Staat und Politik die Banken stützen, gehören der
Bevölkerung. Sie wurde nicht gefragt. Man hätte das Geld in Bildung und
Ausbildung stecken können. Oder ins Gesundheitssystem. Zum Beispiel.
Aber die Politik hat Angst vor dem Neuen.
7. Die junge Generation hat keine Aktien im System.
Gerade die junge Generation hat am wenigsten Grund, das System zu retten. Denn
sie hat schon lange nichts mehr zu verlieren. Die soziale Schere klafft weit auf – vor
allem zwischen den Generationen.
Die Jungen besitzen fast nichts: Kein Geld, keine Güter, keine Perspektiven.
Praktika, Leiharbeit und unsichere Jobs sind die Regel. Wenn überhaupt. Die
Jugend wird im großen Stil um ihre Zukunft betrogen.
Ein Symptom des Untergangs.
8. Die Zeit für eine andere Gesellschaft ist reif.
Die Geschichte ist nicht Vergangenheit, sondern ein Prozess. Der läuft auch heute
noch weiter – und keine Regierung der Welt kann das auf Dauer verhindern. Nicht
mit tausend „Schutzschirmen“, nicht mit Zwang und nicht mit Terror.
Das Alte geht, das Neue kommt: Und die Menschen haben immer wieder aktiv
bewiesen, dass auch geschichtliche Epochen und überkommene Ordnungen gehen
müssen. Um etwas Neuem Platz zu machen. Etwas Anderem. Etwas, das besser
funktioniert.
Die Jugend arbeitet daran. Wir werden uns die nächste Gesellschaft selbst
organisieren. Denn die Zeit ist reif.“
Projektkontext „Jugend in Bewegung“:
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Download der Thesen als Plakat (PDF):
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